Studieren: Strukturverbrechen "Numerus Clausus"

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Studieren: Strukturverbrechen "Numerus Clausus"

Koennen-und-Wissen
Veröffentlicht von Matthias Hauer in Bildungspolitik · 21 Oktober 2020
Hier eine Kurzbeschreibung mit den Kerngedanken:
Der Numerus Clausus (NC) selektiert Zugangsvoraussetzungen zu Studiengängen in Abhängigkeit von Schulzeugnissen. Das ist eine komplette Missachtung der jeweils für ein Berufsprofil wirklich benötigten Kompetenzen. Zusätzlich sind Noten zwischen Schulen unvergleichbar. Das Ganze ist ein strukturelles Verbrechen an der Potentialentfaltung  des einzelnen jungen Menschen, verletzt in hohem Maße das Gebot der Fairness in der Auswahl und ist durch unpassende Strukturierung der Berufswahlen in hohem Maße gesellschaftlich schädlich. Das sind keine Peanuts, sondern ist  ein unakzeptabeles Vergehen an den Entfaltungsmöglichkeiten vieler einzelner Menschen und der Gesellschaft.  

Und jetzt einige Erläuterungen und Details:
Der Numerus Clausus wurde geschaffen, um bei Studienfächern mit beschränkten Kapazitäten die Menge der Studienbewerber zu begrenzen und pro Universität nicht mehr Bewerber aufzunehmen als Plätze vorhanden sind. Der NC wird als Mechanismus zentral bundesweit zentral gesteuert, d.h. alle Studienbewerber für durch den NC reglementierte Studiengänge müssen sich zentral bewerben und werden dann nach Prioritätenwunsch verteilt. Der NC nimmt damit als bundesweit zentrale Institution den staatlichen Universitäten die Arbeit der Bewerberauswahl ab!

Was ist daran nun so verwerflich? Das ist einfach zu sagen: Es sind die Kriterien nach denen der  NC bei seiner Auswahl vorgeht. Damit das Verfahren technisch einfach und ohne viel Aufwand durchführbar ist, hat man einfach als Hauptselektionskriterium die Schulnoten und als Zusatzkriterium die Wartezeit genommen. Gelegentlich kommen auch noch universitätsspezifische Sonderquoten bzw. Auswahlverfahren ins Spiel, aber das ist in diesem Zusammenhang nicht wichtig, da es zahlenmäßig eine untergeordnete Rolle spielt. Ich kritisiere auch nicht, dass es Zulassungsbeschränkungen an sich gibt, das ist sicher unvermeidlich.

Was ich anklage, ist folgendes:

1.  Studiengänge münden in der Regel in einem Beruf. Und für die Gesellschaft ist es insgesamt extrem wichtig, dass die geeigneten Menschen in die geeigneten Berufe gelangen. Und Eignung für z.B. Arzt oder Psychologe, - Fächer mit strengem NC - , hat sicher nur bedingt mit Schulleistungen zu tun. Also erhalten viele Studierende mit eventuell guter Eignung und dem entsprechenden Studienwunsch keinen Zugang oder müssen lange warten. Und Schüler mit sehr guten Noten gehen dann z.T. in die prestigeträchtigen Fächer mit hoher Zulassungsbeschränkung. Das kann man als gesellschaftlich verantwortlich denkender Mensch nur als verantwortungslosen Irrsinn bezeichnen.

2.  Die Schüler der Oberstufen der allgemeinbildenden Schulen konzentrieren sich zu sehr auf gute Noten in möglichtst vielen Fächern. Das vermindert ihre Fokussierung auf ihre Interessensbildung, sprich auf Fächer, die sie wirklich interessieren. Lernressourcen zur vertieften Qualifikation in Neigungsfächern werden damit blockiert und sinnloses Pauken honoriert. Des weiteren sind die Schüler aus einfachen sozialen Verhältnissen oft durch die Sprachlastigkeit vieler Fächer in der Erreichung von Bestnoten strukturell benachteilgt. Nun werden sie dafür auch noch mit erschwertem Studienzugang bestraft. Auch dieses ist nicht tolerierbar in einer verantwortungsvollen, chancen ermöglichenden  Gesellschaft.  

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Regelung von beschränkten Studiengangkapazitäten mit dem Mechanismus des Numerus Clausus nicht haltbar ist. Der Mechanismus in seiner jetzigen Form ist  der Gesellschaft und den jungen Studierwilligen gegenüber verantwortungslos. Er ist ein technokratisches Vernichtungsinstrument von menschlichen Ressourcen. Und das bezeichne ich als ein strukturelles Verbrechen, da es systematisch Individuen und die Gesellschaft schädigt.  Die Alternative müßten selbstverständlich auf individuelle Berufsprofile angepasste Eignungsverfahren sein.  Das ist kurzfristig sicherer teurer und aufwendiger, aber wendet viel Schaden von uns allen ab und wäre damit langfristig ein großer Gewinn für uns alle.

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass erstaunlicherweise keine Partei in ihrer Bildungspolitik dieses offensichtliche Fehlinstrument NC anprangern und umgehend ersetzen will. Meiner Meinung nach ist es auch verfassungswidrig (Vorsätzliche Behinderung der Persönlichkeitsentfaltung). Vielleicht sollten junge Studierwillige mal den Weg einer Verfassungsklage gehen.


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Erstellt von: Matthias Hauer, Berlin 2023
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